Tango, Chor und Konzerte in Guadeloupe
Da es hier in Miami Beach einfach zu warm ist (33°C), bleibe ich über die Mittagsstunden lieber in meinem Hostel: Zeit um ein paar Notizen über die vergangenen zwei Monate in Guadeloupe zu Papier zu bringen (schenkelklopf).
Thema diesmal: Kultur.
Von meinem Ausflug zum Festival Terre de Blues hatte ich ja schon berichtet. Bislang verschwiegen habe ich, dass ich hier im Chor war und Tango ausprobiert habe. Das hatte ich mir schon in Berlin vorgenommen. Schließlich kommt man auf diese Art und Weise schnell unter Leute – soweit die Theorie.
Clubben
Tatsächlich war es im April sehr kompliziert irgendetwas zu unternehmen, da ich ja kein Auto hatte und es abends keine Öffentliche Verkehrsmittel gibt. Ich bin allerdings von ein paar anderen Touristen, die ich im Hostel getroffen habe, einige Male mit in das Club-Viertel Guadeloupes gefahren. Gleich neben dem Sport-Hafen „La Marina“ zwischen Pointe-à-Pitre und Le Gosier gibt es eine handvoll Bars und eine handvoll kleine Clubs. Schnell haben wir herausgefunden, dass wir dort unter der Woche praktisch unter uns sind. Insgesamt waren wir vielleicht dreimal im Zoo Rock Café. Es wird die gleiche Musik gespielt wie man sie in den Mainstream-Clubs zu Hause in Deutschland erwarten kann. Der Club wird dominiert von Afroamerikanern und so der Tanzstil ebenfalls. Besonders populär ist Lap Dance und Zouk (Kreolisch für Feier) – ich lese gerade auf Wikipedia, dass dieser tatsächlich in der französischen Karibik seinen Ursprung hat. Gerne müssen auch einmal alle innehalten, damit sich ein paar Jugendliche spontan im Breakdance battlen können.
Die Clubs sind zumeist ohne Eintritt. Getränke bezahlbar. In Miami Beach ist das ganz anders. Vorgeglüht wird klassischer Weise mit dem Ti-Punch – etwas Rum, eine halbe Limette und etwas brauner Rohrzucker. Richtig betrinken tun sich aber nur die Weißen. Die Atmosphäre ist sehr friedlich. Auffällig ist jedoch, dass Weiße und Schwarze getrennt bleiben. So richtig unter die Einheimischen kann man sich also nicht mischen. In der letzten Woche waren wir auf einer Salsa-Party. Für 10€ Eintritt gibt es für alle eine einfache Paella und (alkoholische) Getränke soviel man will. Von Zeit zu Zeit wird die Salsa-Musik unterbrochen und es wird irgendwas Landestypisches in Formation getanzt. Der ganze Club macht mit. Ich habe das auch probiert – leider nicht ganz einfach. Auf jeden Fall aber eine lustige Angelegenheit.
Chor
Schon in der ersten Woche habe ich ein paar Chöre angeschrieben – in der Hoffnung etwas vergleichbares zum Humboldt-Chor zu finden. Ich schätze, dass es in Guadeloupe etwa 6 Chöre gibt mit jeweils maximal 30 Mitgliedern (davon kommen natürlich nicht immer alle zur Probe). Ohne Auto, kommt man natürlich Abends nicht mehr nach Hause. Daher habe ich nicht einen Chor nach dem anderen ausprobiert, sondern habe ich dem „Ensemble vocal Tous en Choeur“ (Facebook-Seite) angeschlossen. Die Sänger waren so freundlich zu jeder Probe einen kleinen Fahrdienst einzurichten. Die ersten vier Wochen wurde ich stets vom Hostel abgeholt und abends wieder zurück gefahren. Das war echt nett. Das Repertoire ist im großen und ganzen dem in Berlin sehr ähnlich. The Battle of Jericho kannte ich schon. Entsprechend der Vorurteile happert es aber etwas an der Aussprache. Überhaupt happert es vor allem an jungen Stimmen. Der Chor klingt leider sehr müde und schlaff. Die hohen Töne bekommt der Sopran selten. Nicht selten klingt der Chor ein wenig gruselig.
Dennoch habe ich mich über die Gelegenheit zum Singen gefreut. Natürlich haben wir auch einiges auf Französisch und eines auf Kreolisch gesungen. Cool. In der zweiten April-Hälfte hatten wir sogar ein Chorprobenwochenende und ein ganz kleines, informelles Konzert.
Der Chordirigent Nicolas (Bass) hat mich sehr an Cachu erinnert. Er ist engagiert und hat auch schon eigene Stücke für den Chor geschrieben. Wenn notwendig, dann singt er auch gerne mal alle vier Stimmen selbst ein und verteilt diese an alle als mp3.
Die Proben finden in einem Klassenraum statt, denn die Präsidentin des Chores, haupberuflich Lehrerin, zur Verfügung stellt. Ein Klavier gibt es nicht. Das macht das Proben natürlich schwieriger.
Die Schule selbst nimmt einen ganzen Häuserblock in Anspruch. Um in den Innenhof der Schule zu gelangen, von dem alle Klassenzimmer zu erreichen sind, müssen zwei große Tore passiert werden. Die Architektur mutet wie ein Gefängnis an. Tatsächlich erfahre ich später zufällig, dass der Bau ursprünglich wirklich ein Gefängnis war. Dass sich an diesem Eindruck nichts geändert hat, halte ich dennoch für bedenklich. Ein Schul-Direktor, der mich beim per Anhalter fahren einmal mitgenommen hat, hat mir dazu etwas vom französischen Konzept der geschlossenen Schule erklärt. Leider habe ich nicht alles verstanden. Wie auch immer, ich schweife ab…
Tango
Über den Tango in Guadeloupe gibt es nicht so viel zu berichten. Die Scene ist sehr übersichtlich. Es gibt in der Mitte Guadeloupes – also für alle gleich gut/schlecht zu erreichen – eine kleine Tango-Schule. Alle Tänzer haben dort gelernt oder sind eben Hinzugezogene. Jeden Dienstag Abend gibt es eine kleine Milonga mit ca. 16 Tänzern. Da relativ pünktlich um 24h Schluss ist, sitzt kaum jemand rum – das ist bemerkenswert. Neulinge werden persönlich begrüßt und gleich einigen Stammgästen vorgestellt.
Zusätzlich gibt es jeden Freitag eine kurze Milonga in einem Restaurant vergleichbar mit Clärchens Ballhaus, nur etwas kleiner. Die Leute kennt man dann schon von der Dienstags-Milonga. Jeden vierten Freitag im Monat wird diese Milonga in das Wohnzimmer eines Stammtanzpaars verlegt. Passt schon.
Die jungen Leute scheinen sich für den Tango nicht so zu interessieren. Ich war, wie beim Chor, mit Abstand der Jüngste. Insgesamt war ich zwei Mal Tango tanzen (auf beiden Milongas) und habe dann beschlossen es das nächste Mal in Miami zu probieren.
Konzerte
In ländlichen Regionen, und dazu zähle ich ganz Guadeloupe, ist Kultur nur schwer finanzierbar. Das wirkt sich auch auf die Konzert-Landschaft aus. Es gibt ein paar lokale Bands (zum Beispiel die unseres Chor-Leiters) und einige vereinzelte Musik-Projekte wie eben unser Chor oder z.B. ein Orchesterprojekt. Ich habe den Eindruck, dass sich hier hauptsächlich die Musiklehrer in Guadeloupe engagieren. Alle Lehrer in Guadeloupe haben wohl wenigstens einen Teil ihrer Ausbildung im Mutterland verbracht oder sind eben erst nach der Ausbildung nach Guadeloupe gekommen.
Einmal pro Woche gibt es in einer Bar in Grande Terre eine Band zu hören. Ich habe
es leider nie dort hin geschafft. Dazu gibt es irregulär Konzerte. Das ist dann
tatsächlich alles, was man mir diesbezüglich zugetragen hat. Ich bin schließlich
zu zwei Konzerten gegangen, die in der Kathedrale Guadeloupes veranstaltet wurden.
Ein Streichquartett hat Vivaldis 4 Jahreszeiten und ein paar andere Stücke gespielt.
Das andere Mal gab es ein gemeinsames Konzert eines Amateur-Orchesters zusammen mit
einem der Chöre. Beide Veranstaltungen waren ohne Eintritt und jeweils sehr gut
Besucht. Mit sicher über 600 Leuten war die Kathedrale fast voll. Das Publikum ist
jeweils absolut begeistert. Sicher aus, weil diese Konzerte hier stets etwas
besonderes, weil seltenes sind. Dabei ist die Qualität mitunter unterirdisch.
Zum zweiten Konzert war ich zusammen mit einer passionierten Cellistin. Die Streicher
haben sich häufig so arg vergriffen, dass sie dauernd zusammengezuckt ist. Der
Euphorie der anderen Zuhörer hat das freilich keinen Abbruch getan. :)
Wir waren uns einig, dass sie es wohl nicht anders kennen. Dazu muss gesagt werden,
dass die Akustik der Kathedrale sehr schlecht ist. Es ist deshalb sicher nicht
einfach dort zu spielen oder zu singen. Die Kirchturmuhe kann auch nicht abgestellt
werden, so dass man sich als Musiker auf einige Störungen einstellen muss.
Das ist natürlich insgesamt eine etwas europäische Sichtweise. Ich gehe davon aus,
dass es schon ein paar coole karibische Jam-Sessions gibt, die in ihrer Art und Weise
den Konzerten in Berlin in nichts nachstehen. Allerdings habe ich diese Perlen innerhalb
der zwei Monate nicht auswendig machen können. :/